Acla
Ein künstlerisch-wissenschaftlicher Horchposten
Marcus Maeder, 2022
Mit der Aufgabe der alten Kantonsstrasse und des früheren Tunnels Ende der 1960er-Jahre wird der Wald im Aclatobel seit einigen Jahrzehnten nicht mehr forstwirtschaftlich gepflegt und genutzt; ein wilder Bergwald hat sich gebildet. Seit 2009 ist das Gebiet des Aclatobels, welches sich über beide Seiten des Safientals bis an die Baumgrenze erstreckt und den Präzer Wald miteinschliesst, ein Naturwaldreservat. Dieses wurde in der Absicht gegründet, eine vom Menschen unbeeinflusste alpine Waldentwicklung zu ermöglichen und zu beobachten. Eine wichtige Frage ist dabei, ob unberührte Wälder sich aus eigener Kraft an die Klimaveränderungen im Alpenraum anpassen können oder ob es das Zutun des Menschen braucht, um durch Pflege und Nutzung den Wald für eine trockenere Zukunft zu wappnen.
Hier schwingt die Frage nach dem Sinn des Erhalts von Kulturlandschaften mit: Soll sich der Mensch aus dem Alpenraum zurückziehen - da traditionelle, landwirtschaftlich geprägte Lebensweisen nur mit hohem Subventionsaufwand weiterhin möglich sein werden - und damit einer neu entstehenden Wildnis in den Alpen die Möglichkeit zugestehen, eine menschlich unbeeinflusste Resilienz gegenüber den Klimaveränderungen zu entwickeln? Oder soll/muss der Mensch die von ihm verursachten Umweltschäden durch gezielte Landschaftspflege abmildern?
Ganz grundsätzlich stellt sich hier die Frage nach dem Platz und der Rolle des Menschen in der Welt. Wieviel Raum und Rohstoffe brauchen wir wirklich? Müssen wir überall wohnen? Wie sähe ein künftiges, nachhaltiges Zusammenleben mit den anderen Bewohnern des Planeten - den Pflanzen und Tieren - aus? Ein Zusammenleben, in dem der Mensch und seine Bedürfnisse nicht mehr die Ökosysteme, Vielfalt und den Planeten dominiert und bedroht? Wieviel Wildnis ist möglich und sinnvoll?
Diesen Fragen soll ein Forschungs- und Kunstprojekt nachgehen, welches das Aclatobel und die Dynamik der Biodiversität in verschiednen Höhenlagen und Expositionen akustisch - künstlerisch wie wissenschaftlich - beobachten will. Nach einer Bestandesaufnahme im ersten Jahr wird in einem zweiten Schritt eine vergleichbare, bewirtschaftete Waldfläche im Safiental hinzukommen.